Überkonfessionelle Netzwerke
Das Projekt untersucht die religiös, aber auch ethnisch und sozial bestimmten Netzwerke, die in den Reichen der Vandalen, Ostgoten und Westgoten das Zusammenleben der jeweiligen Bevölkerung bestimmten. Dabei wird besonderes Augenmerk auf den angeblich so neuralgischen religiösen Bereich gelegt, in dem sich die Lage noch komplizierter darstellt, als bis in jüngste Zeit in der Forschung angenommen. Hier gilt es, nicht allein den Gegensatz zwischen Arianern und Orthodoxen oder die Lage der Juden zu betrachten, vielmehr müssen auch pagane Strömungen berücksichtigt werden, die durchaus wieder an Bedeutung gewannen, bislang aber im wissenschaftlichen Diskurs praktisch ausgeblendet wurden. Für die „staatstragenden“ Schichten wird die Kollaboration in überkonfessionellen Netzwerken als ein konstituierendes Element deutlich. Ein besonderer Reiz des Projektes geht von der vergleichenden Betrachtung der Verhältnisse in allen drei ostgermanischen Reichsbildungen aus. Der weit gefasste Fokus macht aber auch eine sinnvolle Begrenzung der Beobachtungen auf einige entscheidende Vernetzungsphänomene erforderlich. Es wird keine religionsgeschichtliche Überblicksdarstellung angestrebt test.
Informationen zum Netzwerkansatz des Projekts finden Sie hier.
Stabilisation durch Interaktion
Das gegenseitige Verhältnis von arianischer Oberschicht und überwiegend katholischer Bevölkerung in den gotischen und vandalischen Reichsgründungen auf römischem Boden stand schon immer im Blickpunkt des historischen Interesses, sobald selbiges sich auf die schwer zu überblickende Transformationszeit von Spätantike und frühem Mittelalter richtete. Doch während ältere Pauschalurteile, die dem Toleranzkonzept eines Theoderich in Italien die schweren Katholikenverfolgungen unter Geiserich und seinen Nachfolgern in Nordafrika gegenüberstellten, mittlerweile aufgegeben werden, ist bis heute dennoch weitgehend unpräzisiert geblieben, wie sich die scheinbar schwierige Zusammenarbeit zwischen beiden Konfessionsgruppen im konkreten Fall äußerte. Dass es eine solche Zusammenarbeit jedoch gab, beweist allein die beachtliche Existenzdauer der Germanenreiche, welche vor dem Hintergrund beständiger innenpolitischer Konflikte auf der Basis unüberbrückbarer religiöser Differenzen kaum zu rechtfertigen wäre. Im Gegenteil scheinen gerade überkonfessionelle Netzwerke eine erhebliche Rolle bei der Stabilisierung der germanischen Herrschaften gespielt zu haben. Das Projekt möchte solche überkonfessionelle Interaktion im Inneren wie Äußeren aufspüren und nicht zuletzt anhand der Sozialen Netzwerkanalyse in ihrer Struktur erfassen.
Team
Projektleiter
Prof. Dr. Christoph Schäfer
Mitarbeiter
Christian Nitschke, M.A.
Studentische Hilfskraft
Aline Stang
Publikationen
Soziale Netzwerkanalyse
- Barabási, A.-L. (2003): Linked: The New Science of Networks. Cambridge, Mass.
- Bourdieu, P. (2005): Das Sozialkapital. Vorläufige Notizen. In: Peripherie: Zeitschrift für Politik und Ökonomie in der Dritten Welt, Jg. 25, H. 99, S. 263–267.
- Erickson, B. H. (1997): Social Networks and history: a review essay. In: Historical Methods, Jg. 30, S. 149–157.
- Freeman, L. C. (2000): Visualizing social networks. (Journal of Social Structure, 1). Online verfügbar unter http://www.cmu.edu/joss/content/articles/volume1/Freeman.html.
- Graham, S.; Ruffini, G. (2007): Network analysis and Greco-Roman prosopography. In: Keats-Rohan, K. S. B. (Hg.): Prosopography Approaches and Applications: A Handbook. Oxford .
- Kehoe, D. P. (2003): Aristocratic dominance in the late Roman agrarian economy and the question of economic growth. In: JRS, Jg. 16, H. 2, S. 711–721.
- Kropp, P. (2008): Methodologischer Individualismus und Netzwerkforschung. Ein Diskussionsbeitrag. In: Stegbauer, Christian (Hg.): Netzwerkanalyse und Netzwerktheorie. Ein neues Paradigma in den Sozialwissenschaften. Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften (Netzwerkforschung, 1), S. 145–153.
- Ruffini, G. R. (2008): Social Networks in Byzantine Egypt. Cambridge, New York.
- Scott, J. (1991): Social Network Analysis: A Handbook. London.
- Wasserman, S.; Faust, K. (1994): Social Network Analysis: Methods and Applications. Cambridge.
Ostgotenreich
- Amory, P. (1997): People and identity in ostrogothic Italy 489–554. Cambridge.
- Ausbüttel, F. M. (2003): Theoderich der Große. Darmstadt (Gestalten der Antike).
- Enßlin, W. (1951): Papst Johannes I. als Gesandter Theoderichs d. Gr. In: Byzantinische Zeitschrift, Jg. 44, S. 127–134.
- Krautschick, S. (1983): Cassiodor und die Politik seiner Zeit. Bonn.
- Llewellyn, P. (1977): The Roman clergy during the Laurentian schism (498–506): a preliminary analysis. In: Ancient Society, Jg. 8, S. 245–275.
- Meyer-Flügel, B. (1992): Das Bild der ostgotisch-römischen Gesellschaft bei Cassiodor. Leben und Ethik von Römern und Germanen in Italien nach dem Ende des Weströmischen Reiches. Bern, Frankfurt a. M.
- Moorhead, J. (1992): Theoderic in Italy. Oxford.
- Schäfer, Ch. (1991): Der weströmische Senat als Träger antiker Kontinuität unter den Ostgotenkönigen (490–540 n. Chr.). St. Katharinen.
- Schäfer, Ch. (2001): Probleme einer multikulturellen Gesellschaft. Zur Integrationspolitik im Ostgotenreich. In: Klio, Jg. 83, S. 182–197.
- Wirbelbauer, E. (1993): Zwei Päpste in Rom. Der Konflikt zwischen Laurentius und Symmachus (498–514). München.
Vandalenreich
- Aiello, V. (2005): I Vandali nell’Africa romana. Problemi e prospettive di ricerca. In: Mediterraneo antico. Economie, società, culture, Jg. 8, H. 2, S. 547–569.
- Arce, Javier (2001): Los Vandalos en Hispania (409–429 AD). In: Zurutuza, Hugo; Botalla, Horacio (Hg.): Centros y márgenes simbólicos del Imperio romano. Buenos Aires (2), Bd. 2, S. 165–189.
- Berndt, G. M. (2007): Konflikt und Anpassung. Studien zu Migration und Ethnogenese der Vandalen. Husum (Historische Studien, 489).
- Berndt, G. M.; Steinacher, Roland (Hg.) (2008): Das Reich der Vandalen und seine (Vor-)Geschichten. Wien: Verl. der Österr. Akad. der Wiss. (Forschungen zur Geschichte des Mittelalters, 13).
- Castritius, Helmut (2007): Die Vandalen. Etappen einer Spurensuche. Stuttgart (Urban-Taschenbücher, 605).
- Costanza, S. (1964): Uandali-Ariani e Romani-Catholici nella Historia persecutionis Africana provinciae di Vittore di Vita. Una controversia per l’uso del latino nel concilio cartaginese del 484. In: Oikoumene. Studi paleocristiani pubblicati in onore del concilio ecumenico Vaticano. Catania (2), S. 223–241.
- Diesner, H.-J. (1967): Mobilität und Differenzierung des Grundbesitzes im nordafrikanischen Vandalenreich. In: Acta Antiqua Academiae Scientiarum Hungaricae, Jg. 15, S. 347–358.
- Diesner, H.-J. (1967): Religionen, Konfessionen und Häresien im vandalenzeitlichen Nordafrika. In: Forschungen und Fortschritte, Jg. 41, S. 88–90.
- Heather, P. (2007): Christianity and the Vandals in the Reign of Geiseric. In: Drinkwater, John; Liebeschuetz, Wolf (Hg.): Wolf Liebeschuetz reflected. Essays presented by colleagues, friends, & pupils. London: Institute of Classical Studies School of Advanced Study University of London (Bulletin of the Institute of Classical Studies, Supplement, 91), S. 137–146.
- Howe, T. (2007): Vandalen, Barbaren und Arianer bei Victor von Vita. Frankfurt am Main: Verl. Antike (Studien zur Alten Geschichte, 7).
- von Rummel, Ph. (2003): Der Forschungsstand zum afrikanischen Vandalenreich nach den internationalen Kolloquien „L’Afrique vandale et byzantine“ in Tunis und Paris 2001 und 2002. In: Ethnographisch-Archäologische Zeitschrift, Jg. 44, S. 85–97.
- Spielvogel, J. (2005): Arianische Vandalen, katholische Römer. Die reichspolitische und kulturelle Dimension des christlichen Glaubenskonfliktes im spätantiken Nordafrika. In: Klio, Jg. 82, S. 201–222.
Westgotenreich
- Anton, H. H. (1972): Der König und die Reichskonzilien im westgotischen Spanien. In: Historisches Jahrbuch 1972/92, 257–281.
- Arce, J. (2003): Bárbaros y romanos en Hispania (400–507 A. D), Madrid.
- Bronisch, A. P. (2005): Die Judengesetzgebung im katholischen Westgotenreich von Toledo, Forschungen zur Geschichte der Juden Abteilung A: Abhandlungen, 17, Hannover.
- Claude, D. (1971): Adel, Kirche und Königtum im Westgotenreich, Konstanzer Arbeitskreis für Mittelalterliche Geschichte: Vorträge und Forschungen Sonderband, 8 (1963), Sigmaringen.
- Drews, W. (2002): Jews as pagans? Polemical definitions of identity in Visigothic Spain. In: Early Medieval Europe 11, S. 189–207.
- Garcia Moreno, L. A. (1974): Prosopografia del reino Visigodo de Toledo. Acta Salmanticensia, Filosofia y letras 77, Salamanca.
- Garcia Moreno, L. A. (1999): El Arrianismo vándalo y gético en Sicilia. In: La Sicilia nella tarda antichità e nell’alto medioevo. Religione e socièta. Atti del Convegno de Studi. Catania-Paternò, 24-27 settembre 1997, Soveria Mannelli (Catanzaro), S. 33–52.
- Kampers, G. (1978): Personengeschichtliche Studien zum Westgotenreich in Spanien, Dissertation, Bonn.
- Kampers, G. (2008): Geschichte der Westgoten, Paderborn.
- Mikat, P. (1983): Doppelbesetzung oder Ehrentitulatur. Zur Stellung des westgotisch-arianischen Episkopates nach der Konversion von 587/89, Leverkusen.
- Orlandis, J. (1984): El arrianismo visigodo tardio. In: Orlandis, J. (Hg), Hispania y Zaragoza en la Antigüedad Tardia. Estudios Varios, Zaragoza, S. 51–64.
- Schäferdiek, K. (1967): Die Kirche in den Reichen der Westgoten und Suewen bis zur Errichtung der westgotischen katholischen Staatskirche, Habil.-Schr., Arbeiten zur Kirchengeschichte, 39, Berlin.
- Schäferdiek, K. (1978): Die geschichtliche Stellung des sogenannten germanischen Arianismus. In: Schäferdiek, K. (Hg): Die Kirche des früheren Mittelalters, München, 2, 1, S. 79–90.
- Sefeik, R. M. (1996): The Conversion of the Germanic West from Arian to Catholic Christianity A.D. 350–700, New York.
- Thompson, E. A. (1980): The Conversion of the Spanish Suevi to Catholicism. In: James, E. (Hg): Visigothic Spain. New approaches. Visigothic colloquy, University College, Dublin 14–17 May 1975, Oxford, S. 77–92.