I.09: Netzwerke der Gesundheitsprävention bei Schulden und Armut

Pro­jekt­be­schrei­bung

Zah­lungs­un­fä­hig­keit von Pri­vat­per­so­nen, um­gangs­sprach­lich als Über­schul­dung be­zeich­net, stellt eine mehr­di­men­sio­na­le Pro­blem­si­tua­ti­on auf öko­no­misch-ma­te­ri­el­ler, ju­ris­ti­scher, so­zia­ler und ge­sund­heit­li­cher Ebene dar. Das Wohl­be­fin­den, der Ge­sund­heits­zu­stand und die so­zia­len Netz­wer­ke kön­nen nach­tei­li­ge Aus­wir­kun­gen er­fah­ren. Die Pu­blic Health Re­le­vanz für Deutsch­land ist von der hohen An­zahl an Be­trof­fe­nen ab­leit­bar: Schät­zun­gen gehen davon aus, dass knapp drei bis vier Mil­lio­nen Pri­vat­haus­hal­te über­schul­det sind.

Ar­beits­stand

Ziel des so­zi­al­me­di­zi­ni­schen Pro­jek­tes – kurz ASG-Stu­die (Armut, Schul­den und Ge­sund­heit) ge­nannt – ist es, Ge­sund­heits­pro­ble­me von über­schul­de­ten Pri­vat­per­so­nen zu iden­ti­fi­zie­ren, zu quan­ti­fi­zie­ren und die Rolle von po­ten­ti­el­len Ein­fluss­fak­to­ren zu un­ter­su­chen. Auf Basis des­sen wer­den Maß­nah­men zur Krank­heits­prä­ven­ti­on und Ge­sund­heits­för­de­rung ent­wi­ckelt und eine Im­ple­men­tie­rung derer an­ge­strebt. Über den Zu­gang der in Rhein­land-Pfalz an­er­kann­ten In­sol­venz­be­ra­tungs­stel­len wur­den mit­tels ein­ma­li­ger schrift­li­cher Be­fra­gung über­schul­de­te Pri­vat­per­so­nen un­ter­sucht. Ein stan­dar­di­sier­ter Fra­ge­bo­gen wurde ent­wi­ckelt. Alle Stu­di­en­un­ter­la­gen und das ge­sam­te Stu­di­en­vor­ge­hen wur­den von dem Lan­des­be­auf­trag­ten für den Da­ten­schutz Rhein­land-Pfalz sowie von der Ethik­kom­mis­si­on der Lan­des­ärz­te­kam­mer Rhein­land-Pfalz ge­prüft. Mit einer Teil­nah­mera­te von 35,5% er­hielt die Stu­di­en­zen­tra­le am In­sti­tut für Ar­beits-, So­zi­al- und Um­welt­me­di­zin der Uni­ver­si­täts­me­di­zin Mainz von ins­ge­samt 666 Kli­en­tin­nen und Kli­en­ten der In­sol­venz­be­ra­tungs­stel­len einen aus­ge­füll­ten Fra­ge­bo­gen. Uni-, bi- und mul­ti­va­ria­te Aus­wer­tun­gen wer­den mit dem sta­tis­ti­schen Pro­gramm­pa­ket SPSS, Ver­si­on 17.0 be­rech­net. Die Er­geb­nis­se der ASG-Stu­die wei­sen eine pre­kä­re Le­bens- und Ge­sund­heits­la­ge von über­schul­de­ten Pri­vat­per­so­nen sowie deren ge­rin­ge­re In­an­spruch­nah­me des Ge­sund­heits­sys­tems in Deutsch­land am Bei­spiel von Rhein­land-Pfalz auf: Aus den Er­geb­nis­sen der ASG-Stu­die lässt sich ab­lei­ten, dass es sich bei der Über­schul­dungs­pro­ble­ma­tik nicht nur um ein öko­no­mi­sches und ju­ris­ti­sches Pro­blem auf in­di­vi­du­el­ler Ebene han­delt, son­dern dass ge­ra­de ge­sund­heit­li­che und so­zia­le Pro­ble­me do­mi­nie­ren und die Teil­ha­be­chan­cen an ge­sell­schaft­li­chen Sys­te­men, ins­be­son­de­re des Ge­sund­heits­we­sens, stark ge­fähr­det sind.

Per­spek­ti­ven

Ge­sund­heits­be­zo­ge­ne Prä­ven­ti­ons­pro­gram­me sol­len für über­schul­de­te Pri­vat­per­so­nen ent­wi­ckelt wer­den, um den Be­trof­fe­nen die Mög­lich­keit zu geben, den Er­kran­kun­gen und der fi­nan­zi­el­len Not­la­ge ent­ge­gen­wir­ken zu kön­nen. Be­trof­fe­ne Men­schen wer­den un­ter­stützt, die Si­tua­ti­on von Armut und Über­schul­dung und deren ge­sund­heit­li­chen sowie so­zia­len Fol­gen zu ver­bes­sern. An­satz­punk­te sind die Stär­kung des ego­zen­trier­ten so­zia­len Netz­werks und des ge­sund­heit­li­chen Sta­tus. Ri­si­ko­grup­pen sol­len aus­fin­dig ge­macht wer­den und Prä­ven­ti­ons­pro­gram­me ent­wi­ckelt und eva­lu­iert wer­den. Fol­gen­de Schrit­te wer­den ver­folgt:

  1. Ri­si­ko­fak­to­ren für die Be­ein­träch­ti­gung der Ge­sund­heit und des so­zia­len Netz­wer­kes auf Basis der ASG-Stu­di­en­da­ten eru­ie­ren
  2. Ent­wick­lung eines In­ter­ven­ti­ons-/Prä­ven­ti­ons­pro­gramms mit in­ter­dis­zi­pli­nä­rem An­satz
  3. Durch­füh­rung und Eva­lu­ie­rung des Prä­ven­ti­ons­pro­gramms
  4. Im­ple­men­tie­rung des Prä­ven­ti­ons­pro­gramms auf Lan­des­ebe­ne

Ri­si­ko­grup­pen­spe­zi­fi­sche In­ter­ven­tio­nen (Prä­ven­tio­nen) sol­len auf u.a. so­zi­al­me­di­zi­ni­scher, psy­cho­lo­gi­scher und ju­ris­ti­scher Ebene in Ko­ope­ra­ti­on mit den aus­ge­wähl­ten Pro­jekt­lei­tern des Ex­zel­lenz­clus­ters an­ge­strebt wer­den. Dies ist not­wen­dig, um der Kom­ple­xi­tät und Viel­schich­tig­keit der Über­schul­dungs­si­tua­ti­on ent­spre­chen und ef­fek­ti­ve Be­wäl­ti­gungs­stra­te­gi­en ent­wi­ckeln zu kön­nen. Es wird an­ge­strebt, das In­ter­ven­ti­ons(Prä­ven­ti­ons)pro­gramm in Zu­sam­men­ar­beit mit dem Schuld­ner­fach­be­ra­tungs­zen­trum der Uni­ver­si­tät Mainz, der Lan­des­zen­tra­le für ge­sund­heit­li­che Auf­klä­rung, dem Mi­nis­te­ri­um für Ar­beit, So­zia­les, Ge­sund­heit, Fa­mi­lie und Frau­en Rhein­land-Pfalz und dem Mi­nis­te­ri­um für Bil­dung, Frau­en und Ju­gend Rhein­land-Pfalz sowie den aus­ge­wähl­ten Pro­jekt­lei­tern des For­schungs­clus­ters zu ent­wi­ckeln, um eine ganz­heit­li­che Un­ter­stüt­zung mit mul­ti­dis­zi­pli­nä­rem An­satz für über­schul­de­te Pri­vat­per­so­nen zu er­stel­len. Somit kann ein eva­lu­ier­tes Prä­ven­ti­ons­pro­gramm ge­ne­riert wer­den, um über­schul­de­te Men­schen zu un­ter­stüt­zen. Ziele des Prä­ven­ti­ons­pro­gramms sol­len die Ver­bes­se­run­gen von ge­sund­heit­li­chen Be­ein­träch­ti­gun­gen, de­fi­zi­tä­ren Struk­tu­ren der so­zia­len Netz­wer­ke und der öko­no­mi­schen Si­tua­ti­on sein. Aus so­zi­al­me­di­zi­ni­scher Sicht, aber auch lang­fris­tig aus ge­sund­heits­öko­no­mi­scher und volks­wirt­schaft­li­cher Be­trach­tung, er­scheint es drin­gend not­wen­dig, die Rand­po­si­ti­on der Schuld­ner in den Fokus der wis­sen­schaft­li­chen For­schung zu stel­len. Das Pro­jekt soll bis 2011 durch­ge­führt wer­den.

Team

Pro­jekt­lei­tung

Prof. Dr. oec. troph. Eva Müns­ter, MPH – Ju­ni­or­pro­fes­so­rin für So­zi­al­me­di­zin/Pu­blic Health
Univ.-Prof. Dr. med. Dipl.-Ing. Ste­phan Let­zel

For­schungs­team – ak­tu­el­le Be­set­zung

Dr. Luis Car­los Es­co­bar Pin­zon
Dipl.-Soz. Ul­ri­ke Zier
Heiko Rüger, M.A.

Publikationen

Ar­ti­kel in Fach­zeit­schrif­ten

Müns­ter E, Rüger H, Och­mann E, Let­zel S, To­sch­ke AM. Over-in­deb­ted­ness as a mar­ker of so­cio­eco­no­mic sta­tus and its as­so­cia­ti­on with obe­si­ty: a cross-sec­tio­nal study. BMC Publi­cHe­alth 2009; 9: 286 (2009 Au­gust 7) http://​www.​biomedcentral.​com/​1471-2458/​9/​286

Müns­ter E, Rüger H, Ochs­mann E, Als­mann C, Let­zel S. Über­schul­dung und Zu­zah­lun­gen im deut­schen Ge­sund­heits­sys­tem – Be­nach­tei­li­gung bei Aus­ga­ben­ar­mut. Over-in­deb­ted­ness and Ad­di­tio­nal Pay­ments to the Ger­man Health-Ca­re Sys­tem – Dis­cri­mi­na­ti­on upon De­sti­tu­ti­on in Ex­pen­ditu­re. Ge­sund­heits­we­sen. 2009 (2009 May 14) [Epub ahead of print]

Rüger H, Löff­ler I, Ochs­mann E, Als­mann C, Let­zel S, Müns­ter E. [Men­tal Ill­ness and Over-In­deb­ted­ness.] Psy­cho­ther Psych Med 2009; 1: 59 – Psy­cho­ther Psy­cho­som Med Psy­chol. (2009 Mar 9.) [Epub ahead of print]

Müns­ter E, Let­zel S. Aus­wir­kun­gen von Über­schul­dung auf die Ge­sund­heit. In: Ver­brau­cher­zen­tra­le Bun­des­ver­band e.V. (Ed.) Schul­den­re­port 2009, S.62-73 1. Auf­la­ge April 2009; ISBN: 978-3-936350-58-6

Bock M, Breu­er K, Her­gen­ro­der CW, Let­zel S, Müns­ter E, Schwep­pe C. Armut und Über­schul­dung pri­va­ter Haus­hal­te. Natur & Geist. Das For­schungs­ma­ga­zin der Jo­han­nes Gu­ten­berg-Uni­ver­si­tät Mainz 2/2009: 41-43

Müns­ter E, Let­zel S. So­zi­al­me­di­zi­ni­sche Re­le­vanz der über­schul­de­ten Pri­vat­haus­hal­te in Deutsch­land. Zeit­schrift für Ver­brau­cher- und Pri­vat­in­sol­venz­recht (ZVI), 2009; 8. Jahr­gang (2009 May 15): 50-54

Müns­ter E, Let­zel S. Über­schul­dung, Ge­sund­heit und so­zia­le Netz­wer­ke. In: Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Fa­mi­li­en, Se­nio­ren, Frau­en und Ju­gend (Ed.). Ma­te­ria­li­en zur Fa­mi­li­en­po­li­tik: Le­bens­la­gen von Fa­mi­li­en und Kin­dern; Über­schul­dung pri­va­ter Haus­hal­te. 2008; 22:55-128

Müns­ter E, Rüger H. Über­schul­dung von Pri­vat­per­so­nen und die me­di­zi­ni­schen Kon­se­quen­zen in Deutsch­land. Das Bud­get -ASB-In­for­ma­tio­nen (Zeit­schrift der Schuld­ner­be­ra­tungs­stel­len in Ös­ter­reich) 2008; 60

Müns­ter E, Rüger H. Über­schul­dung bei Krebs­pa­ti­en­ten: Fi­nan­zi­el­le Not, ein Thema für das me­di­zi­ni­sche Ver­sor­gungs­sys­tem. FORUM (Mit­glie­der­zeit­schrift der Deut­schen Krebs­ge­sell­schaft) 2008; 23, 3: 42-44 

Müns­ter E, Rüger H, Ochs­mann E, Als­mann C, Let­zel S. Über­schul­dung und Ge­sund­heit – So­zi­al­me­di­zi­ni­sche Er­kennt­nis­se für die Ver­sor­gungs­for­schung. Ar­beits­med. So­zi­al­med. Um­welt­med. 2007; 42; 12: 628-634.

Bock M, Breu­er K, Cle­mens G, Ge­strich A, Her­gen­rö­der CW, Her­mann-Ot­to E, Ir­sig­ler F, Müns­ter E, Schna­bel-Schü­le H, Schwep­pe C. Ver­schul­dung und Zah­lungs­un­fä­hig­keit von Pri­vat­per­so­nen als Ge­gen­stand in­ter­dis­zi­pli­nä­rer For­schung. Zeit­schrift für Ver­brau­cher- und Pri­vat­in­sol­venz­recht. 2007; 10: 515-520. 

Wis­sen­schaft­li­che Vor­trä­ge auf Kon­gres­sen

Müns­ter E, Rüger H, Let­zel S. Over-in­deb­ted­ness and Health – So­ci­al Me­di­ci­ne Co­gni­ti­ons for Health Ser­vices Re­se­arch. In­ter­na­tio­nal Mee­ting: Over­in­deb­ted­ness:Ever­y­day Risk in Mo­dern So­cie­ties? Theo­re­ti­cal As­pects and Em­pi­ri­cal Fin­dings in In­ter­na­tio­nal Per­spec­tive. Chem­nitz, 2009 

Müns­ter E, Rau M. Ge­sund­heits­för­de­rung bei über­schul­de­ten Pri­vat­per­so­nen. In: Ge­sund­heit-Ber­lin e.V. (Hrsg.): Do­ku­men­ta­ti­on 14. Kon­gress Armut und Ge­sund­heit der Lan­des­ar­beits­ge­mein­schaft für Ge­sund­heits­för­de­rung Ber­lin. (CD-ROM mit Bei­trä­gen zum Kon­gress und der Sa­tel­li­ten­ver­an­stal­tung) Ber­lin, 2008

Müns­ter E, Rüger H, Rau M, Ochs­mann E, Als­mann C, Let­zel S. Über­schul­dung und Ge­sund­heit. Er­geb­nis­se der so­zi­al­me­di­zi­ni­schen ASG-Stu­die. In: Ge­sund­heit Ber­lin e.V. (Hrsg.): Do­ku­men­ta­ti­on 14. bun­des­wei­ter Kon­gress Armut und Ge­sund­heit der Lan­des­ar­beits­ge­mein­schaft für Ge­sund­heits­för­de­rung Ber­lin. (CD-ROM mit Bei­trä­gen zum Kon­gress und der Sa­tel­li­ten­ver­an­stal­tung) Ber­lin, 2008

Rüger H, Ochs­mann E, Als­mann C, Let­zel S, Müns­ter E. Un­gleich­heit der Ge­sund­heits­ver­sor­gung bei Über­schul­dung? In: Ge­sund­heit Ber­lin e.V. (Hrsg.): Do­ku­men­ta­ti­on 14. bun­des­wei­ter Kon­gress Armut und Ge­sund­heit der Lan­des­ar­beits­ge­mein­schaft für Ge­sund­heits­för­de­rung Ber­lin. (CD-ROM mit Bei­trä­gen zum Kon­gress und der Sa­tel­li­ten­ver­an­stal­tung) Ber­lin, 2008

Un­rath M, Jae­ni­cke A, Rüger H, Let­zel S, Müns­ter E. Prä­ven­ti­on und Ge­sund­heits­för­de­rung bei Über­schul­dung. In: Ge­sund­heit Ber­lin e.V. (Hrsg.): Do­ku­men­ta­ti­on 14. bun­des­wei­ter Kon­gress Armut und Ge­sund­heit der Lan­des­ar­beits­ge­mein­schaft für Ge­sund­heits­för­de­rung Ber­lin. (CD-ROM mit Bei­trä­gen zum Kon­gress und der Sa­tel­li­ten­ver­an­stal­tung) Ber­lin, 2008

Müns­ter E, Rüger H, Als­mann C, Let­zel S, Ochs­mann E. Over-in­deb­ted­ness and obe­si­ty – fi­nan­ci­al di­st­ress as par­ti­al re­a­son for the obe­si­ty pan­de­mia? 16th Eu­ropean Con­gress of Obe­si­ty, Genf; 2008

Müns­ter E, Rüger H, Let­zel S. Schul­den­fal­le „Handy“ und des­sen ge­sund­heits­ge­fähr­den­des Po­ten­ti­al: Über­schul­dung von Pri­vat­per­so­nen in Rhein­land-Pfalz, GHUP, Graz, 2008 

Rüger H, Let­zel S, Müns­ter E. Ge­sund­heits­ri­si­ken und Prä­ven­ti­ons­be­darf bei über­schul­de­ten Vä­tern nach Schei­dung/Tren­nung GHUP, Graz, 2008

Müns­ter E, Rüger H, Ochs­mann E, Als­mann C, Let­zel S. Ge­sund­heits­ver­sor­gung bei Über­schul­dung: Re­du­zier­te In­an­spruch­nah­me in­fol­ge von Aus­ga­ben­ar­mut? , Graz, 2008 

Rüger H, Ochs­mann E, Let­zel S, Müns­ter E. Ar­beits­platz­be­dro­hung und Ge­sund­heit bei Über­schul­dung. DGAUM Jah­res­ta­gung der Deut­schen Ge­sell­schaft für Ar­beits- und Um­welt­me­di­zin (DGAUM), Ham­burg, March 2008

Kategorie Allgemein