I.02: Formen der Kreditgewährung und Kreditsicherung im Mittelalter

For­schungs­ge­gen­stand und Fra­ge­stel­lun­gen

Das Teil­pro­jekt kon­zen­triert sich auf zwei in­halt­li­che Schwer­punk­te: die ver­glei­chen­de Dar­stel­lung der in den eu­ro­päi­schen Wirt­schafts­re­gio­nen sehr un­ter­schied­li­chen, aber über­all ef­fi­zi­en­ten For­men der Kre­dit­si­che­rung im Mit­tel­al­ter sowie eine Lo­kal­stu­die zu Netz­wer­ken und Ge­schäftstruk­tu­ren kas­ti­li­scher Ban­kiers und Wechs­ler (cam­bi­os) an den Mes­se­or­ten Me­di­na del Campo, Me­di­na de Rio­se­co und Vil­lalón.

Die Stu­die, die den Un­ter­su­chungs­zeit­raum ent­spre­chend bis in die zwei­te Hälf­te des 16. Jahr­hun­derts aus­wei­tet, greift damit auf Sei­ten der Kre­dit­ge­ber eine für die spa­ni­sche Wirt­schafts­ge­schich­te des Spät­mit­tel­al­ters und der frü­hen Neu­zeit zen­tra­le Grup­pe von Ak­teu­ren her­aus, die bis­her nicht aus netz­werkana­ly­ti­scher Per­spek­ti­ve be­trach­tet wurde. Gemäß der Pro­blem­stel­lung und me­tho­di­schen Aus­rich­tung des Clus­ters wird ge­fragt, in­wie­fern sich wirt­schaft­li­che Netz­wer­ke lo­ka­ler cam­bi­os em­pi­risch nach­wei­sen las­sen bzw. wel­che Cha­rak­te­ris­ti­ka diese Be­zie­hungs­struk­tu­ren auf­wei­sen. Von be­son­de­rem In­ter­es­se ist dabei die Dy­na­mik der Netz­wer­ke im Kon­text der Ent­wick­lung der Mes­se­or­te, die bis etwa 1567/68 das Sys­tem der spa­ni­schen Wech­sel- oder Zah­lungs­mes­sen (fe­ri­as de pagos) bil­de­ten.

Die Lo­kal­stu­die ist als Do­ku­men­ten­ana­ly­se kon­zi­piert. Als Quel­len­grund­la­ge die­nen Auf­zeich­nun­gen über Bürg­schafts-, Schuld- und Kre­dit­ver­hält­nis­se, Ge­sell­schafts­grün­dun­gen und Bank­rot­te sowie In­ven­ta­re und Tes­ta­men­te; neben den re­le­van­ten Be­stän­den der städ­ti­schen Ar­chi­ve von Me­di­na del Campo, Me­di­na de Rio­se­co und Vil­lalón wur­den vor allem No­ta­ri­ats­ak­ten der Mes­se­or­te im Ar­chi­vo Histórico Pro­vin­ci­al Val­la­do­lid aus­ge­wer­tet. Mit den Re­la­ti­ons­in­hal­ten „Kre­dit“, „Bürg­schaft“ und „ge­mein­sa­me Ge­sell­schaft“ wer­den die hier greif­ba­ren Kernas­pek­te des wirt­schaft­li­chen Han­delns ab­ge­bil­det und für die Netz­werkana­ly­se ope­ra­tio­na­li­siert. Die Un­ter­su­chung kon­zen­triert sich auf par­ti­el­le Ego-Netz­wer­ke ein­zel­ner cam­bi­os ein­schließ­lich der je­wei­li­gen Al­ter-Al­ter-Re­la­tio­nen, für be­stimm­te Zeit­räu­me wer­den – bei ent­spre­chen­der Quel­len­la­ge – dar­über hin­aus auch die Ver­bin­dun­gen zwi­schen den Ego-Netz­wer­ken be­trach­tet. 

Bis­he­ri­ge Er­geb­nis­se

Die Ana­ly­se zeigt, dass die Ban­kiers und Wechs­ler an den Mes­se­or­ten in re­la­tiv dich­te Netz­wer­ke sich über­la­gern­der wirt­schaft­li­cher Be­zie­hun­gen ein­ge­bun­den waren. Be­son­ders die für die Zu­las­sung als Mes­se­ban­kier not­wen­di­gen Bürg­schaf­ten, die von der For­schung bis­her kaum be­ach­tet wur­den, las­sen neben einer hohen Kon­ti­nui­tät der Be­zie­hun­gen zu­nächst auch eine ein­deu­ti­ge lo­ka­le Bin­dung er­ken­nen: Bis zum Zu­sam­men­bruch des Mes­se­sys­tems 1567/68 und der Kon­zen­tra­ti­on des in­ter­na­tio­na­len Zah­lungs­ver­kehrs auf Me­di­na del Campo ist die Her­kunft der Ban­kiers und ihrer Bür­gen, die über­wie­gend der kauf­män­ni­schen Füh­rungs­schicht zu­zu­rech­nen sind, in der Regel iden­tisch. Im Zuge der an­hal­ten­den bzw. sich wei­ter ver­schär­fen­den Krise der Mes­sen in Me­di­na del Campo, deren Hö­he­punkt mit dem kas­ti­li­schen Staats­bank­rott des Jah­res 1575 er­reicht wird, steigt mit hö­he­ren Ga­ran­tie­for­de­run­gen für Mes­se­ban­ken nicht nur die Zahl der (nun nicht mehr aus­schließ­lich lo­ka­len) Bürg­schaf­ten, son­dern es ver­dich­ten sich auch die Netz­wer­ke der cam­bi­os und ihre Ver­bin­dun­gen. Es fällt auf, dass auch ehe­ma­li­ge oder spä­te­re Mes­se­ban­kiers ver­stärkt als Bür­gen an­de­rer Bank­ge­sell­schaf­ten in Er­schei­nung tre­ten.

Ge­ra­de die jetzt we­sent­lich stär­ker aus­ge­präg­ten Ver­flech­tun­gen zwi­schen den ein­zel­nen Netz­wer­ken, nicht zu­letzt durch Bürg­schaf­ten an­de­rer cam­bi­os, müs­sen als Re­ak­ti­on auf den Nie­der­gang des Mes­se­or­tes ge­se­hen wer­den und un­ter­strei­chen die Be­deu­tung der Mes­se­ban­ken als Vor­aus­set­zung für eine Wie­der­be­le­bung des Mes­se­han­dels. Gleich­zei­tig spricht diese Ent­wick­lung der Netz­wer­ke gegen die These einer all­ge­mei­nen „cri­sis de con­fi­an­za“ in­ner­halb der Kauf­mann­schaft Me­di­na del Cam­pos, wie sie Abed Al-Hus­sein1 ver­tritt. 

Die Er­geb­nis­se des Pro­jek­tes wur­den auf ver­schie­de­nen Ta­gun­gen und bei Kol­lo­qui­en vor­ge­stellt, so auch auf der 7th Eu­ropean So­ci­al Sci­ence His­to­ry Con­fe­rence 2008 in Lis­s­abon2. Enge Ko­ope­ra­tio­nen im Rah­men des Pro­jek­tes be­ste­hen u. a. mit der Fund­a­ción Museo de las Fe­ri­as (Me­di­na del Campo)3. 

1  Vgl. Falah Has­san Abed Al-Hus­sein, Las quieb­ras de los hom­bres de ne­go­ci­os cas­tel­la­nos, in: Euf­e­mio Lo­ren­zo Sanz (Hg.), His­to­ria de Me­di­na del Campo y su tier­ra, Bd. 2: Auge de las fe­ri­as. Deca­den­cia de Me­di­na, Me­di­na del Campo 1986, S. 221-266, Zitat S. 255.
2  http://​www2.​iisg.​nl/​esshc/​programme.​asp?​selyear=9&​pap=5977
3  http://​www.​museoferias.​net

Team

Pro­jekt­lei­ter

Prof. em. Dr. Franz Ir­sig­ler

Mit­ar­bei­ter

Ge­rald Grom­mes, M.A.

Wis­sen­schaft­li­che Hilfs­kraft

Ju­dith Zapp

Publikationen

Franz Ir­sig­ler

  • Hil­de­brand Ve­ckin­chu­sen: Ein spät­mit­tel­al­ter­li­cher Han­se­kauf­mann in der Schul­den­fal­le, in: Zeit­schrift für Ver­brau­cher- und Pri­vat­in­sol­venz­recht 8, Son­der­heft (2009), S. 46-50.
  • Kre­dit­ge­wäh­rung und For­men der Kre­dit­si­che­rung im hohen Mit­tel­al­ter, in: Ga­brie­le Cle­mens (Hrsg.), Schul­den­last und Schul­den­wert. Kre­dit­netz­wer­ke in der eu­ro­päi­schen Ge­schich­te 1300-1900 (=Trie­rer His­to­ri­sche For­schun­gen; 65), Trier 2008, S. 67-84.
  • Ver­schul­dung und Zah­lungs­un­fä­hig­keit von Pri­vat­per­so­nen als Ge­gen­stand in­ter­dis­zi­pli­nä­rer For­schung (ge­mein­sam mit Micha­el Bock u.a.), in: Zeit­schrift für Ver­brau­cher- und Pri­vat­in­sol­venz­recht 6 (2007), S. 515-520.
  • Wild- und Rhein­graf Carl Ma­gnus von Greh­wei­ler. Ein hoch­ade­li­ger Ver­schwen­der im 18. Jahr­hun­dert [Ma­nu­skript ab­ge­schlos­sen]

Ge­rald Grom­mes

  • Netz­wer­ke und Ge­schäfts­struk­tu­ren kas­ti­li­scher Mes­se­ban­kiers im 16. Jahr­hun­dert, in: Ga­brie­le Cle­mens (Hrsg.), Schul­den­last und Schul­den­wert. Kre­dit­netz­wer­ke in der eu­ro­päi­schen Ge­schich­te 1300-1900 (=Trie­rer His­to­ri­sche For­schun­gen; 65), Trier 2008, S. 85-107.
Kategorie Allgemein