DFG-Projekte: Revolutionäre Religion und Religion der Revolutionäre | Revolutionary Religion and the Religion of the Revolutionaries

 

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Bis heute stützt sich die Historiographie zur Entstehung der Moderne noch vielfach auf das Paradigma der Säkularisierung. Im Zeitalter der Aufklärung und dem Age of Revolution sei die Bedeutung von Gott und seinen institutionellen Repräsentanten zunehmend marginalisiert worden und als Konsequenz hätten sich die menschlichen Tätigkeitsfelder von Politik und Religion getrennt. Seit einigen Jahren wird dieses Paradigma von verschiedenen Seiten und Disziplinen jedoch zunehmend in Frage gestellt. Die beiden am Forschungszentrum Europa der Universität Trier versammelten DFG-Projekte

  • „Natürliche Religion und Politik in der Französischen Revolution“
  • „Religion, Sklaverei und ‚Rasse’ im Zeitalter der Revolutionen: Katholizismus im kolonialen Saint-Domingue und unabhängigen Haiti“

wollen ihrerseits einen Beitrag leisten, das Beziehungsverhältnis zwischen Politik und Religion in seiner ganzen Komplexität zu analysieren.

 

Das Projekt zur „natürlichen Religion“ in der Französischen Revolution untersucht dabei die sog. Revolutionären Kulte im Frankreich der Revolution und begreift diese als Versuch, die sich während der Aufklärungszeit herausgebildete Vorstellung einer „natürlichen Religion“ als allgemeinverbindlich durchzusetzen. Entscheidend für dieses Projekt ist dabei ein Perspektivwechsel: Die revolutionäre Religion wird nicht länger als ein Mittel zur Erreichung von politischen Zwecken interpretiert, wie es fast die ganze bisherige Historiographie getan hat, sondern es wird umgekehrt plausibel gemacht, dass politische Mittel eingesetzt wurden, um diese spezifische Idee von Religion als die „wahre Religion“ und der revolutionären Gesellschaft einzig entsprechende zu etablieren.

 

Das Projekt zu Saint-Domingue blickt dagegen auf den Katholizismus in der (vor)revolutionären Kolonie Frankreichs und dem dann unabhängigen Haiti. Auch hier wird ein Perspektivwechsel vollzogen: Im Anschluss an erste ähnlich argumentierende Ansätze wird erforscht, welche Rolle die katholische Religion bei der Identitätsbildung und politischen Ermächtigung der Versklavten und Revolutionäre über das gesamte lange 18. Jahrhundert hinweg spielte.

 

Der Zugang zur Frage der Relevanz von Religion in politischen Aushandlungsprozessen ist in den beiden Projekten damit gewissermaßen komplementär: Stehen im Projekt zum revolutionären Frankreich deutlicher die gesellschaftsnormierenden Aspekte von Religion im Mittelpunkt und betont es damit vor allem eine herrschaftstheoretische Perspektive von Religion, fragt das Projekt zum (vor)revolutionären Saint-Domingue stärker nach den befreienden Potentialen des Katholizismus und fokussiert damit vor allem die Perspektive der Agency (ehemals) versklavter Personen. Beide Projekte zeigen so auf jeweils andere Weise die weiterhin massiv bestehende Relevanz von Gott und Religion für das politische Feld auf und plädieren damit für die These einer bis über das Revolutionszeitalter hinausgehenden engen Verflochtenheit von Politik und Religion.

 

Publikationen im Kontext der Projekte:

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