Netzwerke und Abhängigkeiten der Juden in Aschkenas vor dem Hintergrund neuer Herausforderungen: Wiederaufbau, Judenschuldentilgungen und Vertreibungen (1350-1519)
Projektbeschreibung
Projektleitung
Prof. Dr. Sigrid Schmitt, Trier
Universität Trier
Fachbereich III – Mittelalterliche Geschichte
Zi. A 220
54286 Trier
Tel: +49-(0)651-201-3136
sschmitt@uni-trier.de
Wiss. Mitarbeiterin
Dr. Kathrin Geldermans-Jörg, Trier
Universität Trier
Fachbereich III – Mittelalterliche Geschichte
Drittmittelgebäude Raum DM 07
Tel.: +49-(0)651-201-3107
geldermans@uni-trier.de
Kurzdarstellung
Das Teilprojekt Netzwerke und Abhängigkeiten der Juden in Aschkenas vor dem Hintergrund neuer Herausforderungen: Wiederaufbau, Judenschuldentilgungen und Vertreibungen (1350-1519) untersucht das Überleben und den Wiederaufbau jüdischer sowie jüdisch-christlicher Netzwerke nach den schweren Pogromen zur Zeit des „Schwarzen Todes“ um die Mitte des 14. Jahrhunderts.
Von diesen Mordaktionen waren die Juden im Rheinland sowie in den schwäbischen und fränkischen Gebieten besonders schwer betroffen, während die Herrschaftsträger in Böhmen und Österreich aber auch einige Städte im Reichsgebiet, namentlich Regensburg, ihre Juden weitgehend davor zu bewahren in der Lage waren. Die Folgen für die innere politische Verfasstheit der Judenschaft im Reich waren immens, was sich etwa auch an der jüdischen Siedlungstätigkeit festmachen lässt.
Jüdische Niederlassungen 1301-1350
Kartenausschnitte aus: Alfred Haverkamp (Hg.), Geschichte der Juden im Mittelalter von der Nordsee bis zu den Südalpen, 3 Bde. Hannover 2002 (Forschungen zur Geschichte der Juden A 14)
Jüdische Niederlassungen 1351-1500
Bereits seit dem Ende des 14. Jahrhunderts waren weite Teile der Judenschaft des Reiches erneut von Exklusionsvorgängen bedroht.
Kultisch-kulturelle Ausstattung nach 1350
Kartenausschnitt aus: Alfred Haverkamp (Hg.), Geschichte der Juden im Mittelalter von der Nordsee bis zu den Südalpen, 3 Bde. Hannover 2002 (Forschungen zur Geschichte der Juden A 14)
Die ökonomische Erholung weiter Teile der Judenschaft des Reiches nach der Mitte des 14. Jahrhunderts wurde besonders zum Ende jenes Säkulums durch die sogenannten „Judenschuldentilgungen“ König Wenzels (1384/85 und 1390) erheblich beeinträchtigt.
In der Folge standen im weiteren Verlaufe des 15. Jahrhunderts noch mehrfach Zugriffe von königlicher Seite auf die jüdische Finanzkraft, die sich vorrangig in der Forderung außerordentlicher Steuern niederschlugen.
Vornehmlich zu dieser Zeit wurde zudem eine Vielzahl der bis dahin (wieder)aufgebauten Netzwerke und Verbindungslinien der Juden durch abermalige lokale und überörtliche Vertreibungsmaßnahmen zerstört oder aber zumindest erheblichen Belastungsproben ausgesetzt. Auslöser sind in den jeweils aktuellen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Konstellationen und Rahmenbedingungen zu suchen, die nicht selten eine Instrumentalisierung der Juden durch Schutzherren und Herrschaftsträger mit sich brachten. Die Intensivierung der Reformdiskussionen während des 15. Jahrhunderts beeinflusste ferner die Haltung vorrangig der Herrschaftsträger gegenüber den Juden, was sich in entsprechenden judenfeindlichen Dekreten und Erlassen spiegelt.
Wie bereits in der ersten Projektphase sollen zu diesen Problemfeldern jeweils innovative Fallstudien erarbeitet werden (siehe auch unter Erster Bearbeitungszeitraum).
Quellengrundlage
Wenn nach 1350 auch weitaus weniger Juden im mittelalterlichen Reich lebten als vor den Pestverfolgungen, so wissen wir über diese durch die Möglichkeit, auch serielle Quellen auszuwerten, insgesamt doch wesentlich besser Bescheid als über ihre Vorfahren.
Herangezogen werden etwa Gerichtsbücher und -protokolle, Briefbücher urbaner Obrigkeiten sowie weiteres Verwaltungsschriftgut städtischer Provenienz.
Qualitativ ist mittels der prosopographischen Methode als Herzstück der Netzwerkanalyse in vielen Bereichen ein ungleich detaillierterer Zugriff auf die Quellen möglich.
Fragestellungen
Auf Basis der skizzierten Herangehensweise können zum einen Ergebnisse aus dem ersten Bearbeitungszeitraum (bis 1350) – z.B. hinsichtlich der überragenden Rolle von Familie und Verwandtschaft bei der jüdischen Wirtschafts- und Sozialelite und einer überraschend häufigen Kooperation mit „Pendants“ auf der christlichen Seite – in Dimensionen mittlerer Dauer überprüft werden.
Zum anderen können mittels dieses Zugangs wichtige Einzelthemen, die in der ersten Projektphase ausgeklammert werden mussten, erstmals in die Sozialanalyse der jüdischen Eliten miteinbezogen werden. Hier sind vorrangig die Verbindungslinien zwischen den hochmobilen, oft miteinander kommunizierenden jüdischen Gelehrten und Gemeinderabbinern zu nennen.
Darüber hinaus können auf diese Weise zentrale Problembereiche neu beleuchtet werden. Erwähnt sei nur das reichhaltige Material zum Schuldnerkreis der Frankfurter Judenschaft aus der Zeit der Wenzelschen Schuldenkassationen.
Die Netzwerkanalyse erlaubt eine enge Anknüpfung an den Cluster-Teilbereich I“Gläubiger und Schuldner: Kreditbeziehungen und Netzwerkbildung im Zeichen monetärer Abhängigkeiten“. Diese bleibt freilich auch durch die zumindest in den Quellen weiterhin dominierende Haupterwerbsquelle der Juden, die Geld- und Pfandleihe – welche die Grundlage für vielfältige Netzwerkbeziehungen zu den Christen bildete –, bestehen.
Dies ist besonders hervorzuheben, weil wirtschaftsgeschichtlich ausgerichtete Arbeiten zur Geschichte des mittelalterlichen Judentums mittlerweile selten geworden sind. Anders sieht es aus mit dem Interesse der Forschung an den Judenvertreibungen. Diese selbst werden auch in der längerfristigen Perspektive des Projekts keine neuen Deutungen erfahren, jedoch lassen sich auf dem Wege der Netzwerkanalyse über den inneren Zustand der gut und besser dokumentierten Gemeinden, wie neben Frankfurt vor allem Regensburg, Nürnberg oder Würzburg, sicherlich noch Erkenntnisfortschritte erzielen.
Erster Bearbeitungszeitraum (abgeschlossen)
Netzwerke und Abhängigkeiten der Juden im Reich in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts
Projektleitung: Prof. Dr. Alfred Haverkamp, Trier
Bearbeiter: Dr. phil. habil. Gerd Mentgen, Trier
In der Zeit zwischen den sogenannten Rintfleisch-Verfolgungen von 1298 und den Pogromen um die Mitte des 14. Jahrhunderts erreichte die Zahl der im Reichsgebiet lebenden Juden im Mittelalter ihren Höhepunkt. Ein relativ dichtes Netz jüdischer Gemeinden spannte sich über einen Großteil der deutschen Lande. Angesichts hoher Verfolgungsgefahr, verstärkter kirchlicher Agitation gegen die von vielen Juden ausgeübten Geldleihgeschäfte und eines von Kaiser Ludwig dem Bayern intensivierten herrschaftlichen Zugriffs auf die jüdischen „Kammerknechte“ wurde der Rückhalt der Juden an gemeindlichen, ökonomischen, familiären oder sonstigen Beziehungsgeflechten besonders wichtig.
Das Teilprojekt untersucht diese Strukturen und darüber hinaus ihre Anbindung an weltliche und geistliche Herrschaftsträger und die Netzwerke und Gruppierungen auf christlicher Seite, woraus sich für die Juden Möglichkeiten und Herausforderungen, aber potentiell auch schwere innere Konflikte ergeben konnten.
Für die Zeit der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts bot sich aufgrund der einzigartigen Überlieferungsdichte der Südosten des Reiches mit der hervorragend dokumentierten Judengemeinde Cividale als Projektfokus an.
Ein weiterer Aufsatz aus dem Teilprojekt beschäftigt sich mit der für die Untersuchung von Netzwerken in bezug auf Gläubiger-Schuldner-Beziehungen höchst aufschlussreichen Thematik des Einlagers der Schuldbürgen.
Team
Projektleitung
Prof. Dr. Sigrid Schmitt, Trier
sschmitt@uni-trier.de
Universität Trier
Fachbereich III – Mittelalterliche Geschichte
Zi. A 220
54286 Trier
Tel: 0651/ 201 – 3136
weitere Informationen
und Hinweise (Vita und Publikationen)
Wiss. Mitarbeiterin
Dr. Kathrin Geldermans-Jörg
geldermans@uni-trier.de
Universität Trier
Fachbereich III – Mittelalterliche Geschichte
Zi. DM 07
54286 Trier
Tel: 0651/ 201 – 3107
weitere Informationen
Erster Bearbeitungszeitraum
Projektleitung: Prof. em. Dr. Alfred Haverkamp
Projektmitarbeiter: Dr. phil. habil. Gerd Mentgen
Publikationen
Schmitt, Sigrid
- Michael Matheus, Sigrid Schmitt (Hgg.), Kriminalität und Gesellschaft (Mainzer Vorträge 8), Stuttgart 2005.
- Sigrid Schmitt und Sabine Klapp (Hgg.), Städtische Gesellschaft und Kirche im Spätmittelalter (Geschichtliche Landeskunde), Stuttgart 2008.
- Die Dorfgemeinde in den ländlichen Rechtsquellen des kurpfälzischen Oberamtes Alzey, in: Alois Gerlich (Hg.), Das Dorf am Mittelrhein (Geschichtliche Landeskunde, Bd.30), Stuttgart 1989, S.175-193. Landesherr, Stadt und Bürgertum in der Kurpfalz des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit, in: Jürgen Treffeisen und Kurt Andermann (Hgg.), Landesherrliche Städte in Südwestdeutschland (Oberrheinische Studien 12), Sigmaringen 1994, S.45-66.
- Das Niersteiner Rittergericht, in: Heimatjahrbuch Landkreis Mainz-Bingen 38, 1994, S.9-15.
- Die Edition ländlicher Rechtsquellen. Vergleichende Betrachtung landesgeschichtlicher Quellenpublikationen, in: Werner Buchholz (Hg.), Landesgeschichte in Deutschland. Bestandsaufnahme – Analyse – Perspektiven, Paderborn u.a. 1998, S.439-451.
- Mittelalterliche Dorfentwicklung und Rechtsprechung, in: Walter G. Rödel (Hg.), Vor den Toren der großen Stadt. 850 Jahre Drais, Mainz 1998, S.23-31.
- Einleitung (Zur Edition ausgewählter Fälle aus dem Protokollbuch; Annäherung an die Quelle aus historischer Sicht), in: Kerstin Riedel, Sigrid Schmitt (Hg.), Das Protokollbuch des Niersteiner Rittergerichts (1654-1661) (Quellen und Forschungen zur hessischen Geschichte 122), Darmstadt und Marburg 1999, S.7-37.
- Territorialstaat und Gemeinde an Mittelrhein und Mosel im späten Mittelalter und in der Frühen Neuzeit, in: Norbert Franz, Bernd-Stefan Grewe, Michael Knauff (Hg.), Landgemeinde im Übergang zum modernen Staat. Vergleichende Mikrostudien im linksrheinischen Raum (Trierer Historische Forschungen 40), Mainz 1999, S.47-61.
- Herrschaft über Bauern im Spiegel der Weistümer. Untersuchungen zum mittelrheinischen Raum in: Werner Rösener (Hg.), Tradition und Erinnerung in Adelsherrschaft und bäuerlicher Gesellschaft (Formen der Erinnerung 17), Göttingen 2003, S.153-172.
- Haingericht, Markgenossenschaft und Dorfallmende. Allmendnutzung und Allmendnutzungskonflikte im Mittelrheingebiet, in: Uwe Meiners, Werner Rösener (Hgg.), Allmenden und Marken vom Mittelalter bis zur Neuzeit. Beiträge des Kolloquiums vom 18. bis 20. September 2002 im Museumsdorf Cloppenburg (Kataloge und Schriften des Museumsdorfs Cloppenburg 14), Cloppenburg 2004, S.127-140.
- Landgemeinden, in: Matthias Meinhardt, Andreas Ranft u. Stephan Selzer (Hg.): Oldenburg Geschichte Lehrbuch. Mittelalter, München 2007, S. 223-227.
- Städtische Gesellschaft und zwischenstädtische Kommunikation am Oberrhein. Netzwerke und Institutionen, in: Thomas Zotz, Peter Kurmann (Hg.), Historische Landschaft – Kunstlandschaft? Der Oberrhein im späten Mittelalter (Vorträge und Forschungen), Ostfildern 2008, S. 275-306.
Geldermans-Jörg, Kathrin
- Geldermans, Kathrin, Als verre unser geleit geht. Aspekte christlich-jüdischer Kontakte im Hochstift Bamberg während des späten Mittelalters. Univ. Diss. Trier 2008 (Prof. Haverkamp)
Mentgen, Gerd
(Projektmitarbeiter im ersten Bearbeitungszeitraum)
- Netzwerkbeziehungen bedeutender Cividaler Juden in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts, in: Beziehungsnetze aschkenasischer Juden während des Mittelalters und der frühen Neuzeit, hg. v. Jörg R. Müller, Hannover 2008 (Forschungen zur Geschichte der Juden A 20), S. 173–222
- Die Juden und das Einlager als Instrument der Kreditabsicherung im 14. Jahrhundert, in: Kreditbeziehungen und Netzwerkbildungen. Die soziale Praxis des Kredits, hg. v. Gabriele B. Clemens, Trier 2008 (Trierer Historische Forschungen 65), S. 53-66