Projektbeschreibung
Projektleitung: Dr. habil. Olaf Blaschke, Trier
Zeitgeschichtliche Katholizismusforschung in der Bundesrepublik lag über Jahrzehnte in der Hand einer benennbaren Gruppe von Akteuren mit teiweise apologetischen Interessen. Ihre frühe Vorherrschaft im Feld verdankt sie einer klugen Netzwerkarbeit kirchenloyaler katholischer Theologen, Kirchenhistoriker, Historiker und Soziologen, aber auch Journalisten und Politiker. Analysiert wird die Genese dieses Netzwerkes seit den späten 1950er Jahren sowie dessen Nähe zu Funktionären der katholischen Kirche, politischer Parteien und parteinaher Einrichtungen, zu katholischen Akademien, katholischen Verlagen, Zeitschriften, Zeitungen und anderen Medien. Darüber hinaus werden Inklusions- und Exklusionsmuster mittels Zitier- und Konferenzkartellen rekonstruiert, die es der ‘kritischen’ Katholizismusforschung schwer machten, Gehör zu finden.
Ziel der Arbeit ist es, mit Hilfe der Netzwerkforschung Strategien der Geschichtspolitik zu erkunden.
Arbeitsstand
Die Netzwerforschung im quantitativen Sinne ist fortgesetzt worden: Erfassung der Beziehungsmuster zwischen verschiedenen Akteuren anhand der Vorworte der Bände der Kommission für Zeitgeschichte, Reihe B. (Bd. 1-100; abgeschlossen) sowie Reihe A (Quellen; abgeschlossen). Bereits die Auswertung der Danksagungen und Referenzen der Publikationen der 1962 gegründeten Kommission für Zeitgeschichte offenbart bestimmte Beziehungen untereinander und etwa zu einigen Bischöfen, vor allem jedoch gewisse Knotenpunkte: Diese zentralen Akteure hielten die Schlüsselpositionen der Katholizismusforschung auch außerhalb der Arbeit der Kommission über Jahrzehnte besetzt.
Lektüre der Bände der Kommission für Zeitgeschichte (laufend), um Positionierungen im Feld (qualitative Netzwerkstrukturen und Referenzen) zu analysieren. Arbeit an der Geschichte von katholischen Verlagen wie dem Grünewald-Verlag (Mainz), einer für das katholische Milieu und die Selbstverständigung katholischer Wissenschaftler eminent wichtigen Firma mit steuernder Funktion für die Bildung des Netzwerkes katholischer Kirchen- und Katholizismusforscher. Auswertung der Akten des Verbandes deutscher Historiker, die zur Zeit in Trier zur Verfügung stehen, um konfessionelle Exklusionsmechanismen im Historikerfeld sichtbar zu machen.
Perspektiven
Fortführung der Datenerhebung über die Bände der Kommission hinaus. Fortsetzung archivalischer Recherchen, insbesondere in den Akten des Historikerverbandes, in ausgesuchten Nachlässen (im Historischen Archiv des Erzbistums Köln und im Jesutischen Archiv München) sowie von zentralen Verlagen. Abgleichung der Netzwerkstrukturen mit der seit den späten 1960er Jahren aufsteigenden Gruppe von Sozialhistorikern als Kontrollgruppe (anhand der Publikationsreihe „Kritische Studien für Geschichtswissenschaft“).
Abschluß der Arbeit: Januar 2009. Ein Antrag zur Drittmittelfinanzierung wird gestellt.
(Stand Juli 2008)