Projektbeschreibung
Projektleiter: Prof. Dr. Andreas Roth, Mainz (Lehrstuhl für Deutsche Rechtsgeschichte)
Wiss. Mitarbeiter: Herr Ass. jur. Ludwig Griebl
Gegenstand des Projektes ist die staatliche/ kommunale Intervention gegenüber überschuldeten Personen in der frühen Neuzeit im Spannungsverhältnis zu den Regelungen der Vormundschaft über Erwachsene. Das von der Rechtsgeschichte gezeichnete Bild von der rechtlichen Fürsorge für Erwachsene während der frühen Neuzeit stellt einseitig auf das vom römischen Recht beeinflusste Vormundschaftsrecht ab. Während dies für die Theorie des gemeinen Rechts zutreffend ist, sah die Praxis dagegen vermutlich deutlich vielgestaltiger aus. Denn neben den traditionellen oder reformationsrechtlichen Regelungen waren zu bevormundende Erwachsene auch einer von ordnungs- oder polizeirechtlichen Interessen geprägten Gesetzgebung der jeweiligen Territorialstaaten und Obrigkeiten unterworfen. So existierte vor allem im Bereich der staatlichen/ kommunalen Intervention gegenüber überschuldeten Personen (so genannte Verschwender) eine große Bandbreite an „policeyrechtlichen“ und strafrechtlichen Regelungen und Maßnahmen, die innerhalb der verschiedenen Netzwerke Anwendung finden konnten, etwa auf kommunaler Ebene, innerhalb einer Dorfgemeinschaft oder auch rein innerfamiliär. Hier war also in den einzelnen Territorien in der Regel der Anwendungsbereich mehrerer ganz unterschiedlicher Regelungskomplexe eröffnet.
Die Untersuchung wird daher im Rahmen einer qualitativen Fallstudie zunächst die einzelnen Regelungen erarbeiten, ihren Zweck und Inhalt, und dann vor allem die konkreten Maßnahmen, die innerhalb verschiedener Netzwerke angewandt wurden. Darüber hinaus wird – soweit möglich – auch der Frage nachgegangen werden, inwieweit es bei einem Nebeneinander verschiedener Normen, die Verschwender betrafen, zu einer so genannten Anwendungskonkurrenz gekommen ist und wie diese in der Praxis – möglicherweise je nach sozialer und gesellschaftlicher Stellung des zu Bevormundenden – gelöst wurde. Diese Frage gewinnt dann besonders an Bedeutung, wenn für bestimmte Personengruppen und Lebenssituationen theoretisch sowohl inhaltlich als auch der gesetzgeberischen Zielsetzung nach verschiedene Normen und Maßnahmen Anwendung finden konnten: Ob ein Vormund mit der Vermögensverwaltung beauftragt wird oder ob es sogleich zur Durchführung policeylicher Maßnahmen kommt, die aus Gründen der Sozialdisziplinierung eine Einweisung ins Zuchthaus beinhalteten, oder ob ein gestuftes Verfahren durchgeführt wird, bei dem zunächst eine Abmahnung des Betroffenen erfolgt, dieser dann bei fehlender Besserung eine Turmstrafe zu verbüßen hat und in letzter Konsequenz mit der Bestellung eines Vormunds die Verfügungsgewalt über sein Vermögen einbüßt. Schließlich kann ein Verschwender aber auch Adressat einer rein strafrechtlichen Maßnahme werden, im Verlauf derer er zur Abstrafung eine Gefängnisstrafe zu verbüßen hat. Die praktischen Unterschiede konnten also gewaltig sein.
Vorgesehen ist eine räumliche Begrenzung der Studie auf das Kurfürstentum Mainz, das Herzogtum Württemberg sowie die Reichsstadt Frankfurt, um exemplarisch drei verschiedene Territorien zu untersuchen (Kurmainz als geistliches, Württemberg als weltliches und Frankfurt als städtisches Territorium) und mögliche Unterschiede in der rechtlichen Behandlung von überschuldeten Personen feststellen zu können.
Arbeitsstand / Projektfortschritt
• Ermittlung der das Thema betreffenden frühneuzeitlichen Normen im Gemeinen Recht und in der Territorialgesetzgebung
• Auflistung der unterschiedlichen Maßnahmen im Bereich überschuldeter Personen in den Territorien / Differenzierung nach den einzelnen Netzwerken (Kommune, Kirche, Familie)
• Durchführung der Quellenrecherche im Bereich der polizeirechtlichen und kommunalen Regelungen innerhalb der jeweiligen Territorien (Darstellung der einzelnen staatlichen/ kommunalen und familiären Interventionsmaßnahmen)
• Recherche einzelner Fallbeispiele anhand derer die praktische Anwendung der Normen auf überschuldetet Personen aufgezeigt werden kann
(Stand November 2008)