Die Einwanderung maghrebinischer ebenso wie süd- und osteuropäischer Migranten in die westeuropäischen Industriegesellschaften ist eine der zentralen Entwicklungen der Nachkriegszeit. In der dritten Förderperiode steht die administrative Kontrolle dieser Immigrationsströme durch Polizei- und Verwaltungseinheiten im Zentrum der Projektarbeit. Wie in den beiden vorhergehenden Förderperioden interessiert hierbei besonders die Gleichzeitigkeit von Inklusionsangeboten und Exklusionspraktiken, die für die Lebenswelt vieler Arbeitsmigranten prägend war.
Projektleitung:
Prof. Dr. Lutz Raphael
Projektlaufzeit: 2002-2012
Fachgebiet: Neuere und Neueste Geschichte
Projektbeschreibung
Das Teilprojekt beschäftigt sich in vergleichender Perspektive mit der Dynamik von Eingliederung und Ausgrenzung von Arbeitsmigranten in der grenzüberschreitenden Montanregion, die Teile Belgiens, des Saarlandes, Ostfrankreichs und Luxemburgs umfasst. Diese Region bietet die Möglichkeit, unterschiedliche Formen nationalstaatlicher Politik, ihre kommunalpolitische und administrative Ausgestaltung einerseits, aber in Wechselbeziehung dazu auch die konkreten Formen des Zusammenlebens von ‚Einheimischen und Zuwanderern‘ und die familiären bzw. individuellen Lebensstrategien der Arbeitsmigranten andererseits zu untersuchen. In der gesamten montanindustriell geprägten Region setzte nach der Rekonstruktionsphase der unmittelbaren Nachkriegszeit rasch die Anwerbung und Beschäftigung ausländischer Arbeitskräfte vor allem aus dem westlichen Mittelmeerraum (Italien, Portugal, Spanien, Marokko, Tunesien, Algerien) ein. Seit Anfang der 70er Jahre folgte auf den Anwerbestopp eine zweite Phase, in der sich Teile der eingewanderten Minoritätengruppen dauerhaft niederließen und eine neue Politik der ‚Eingliederung‘ dieser ausländischen Arbeitsmigranten, ihrer Familien und Angehörigen in die Gesellschaft und Kultur der Anwerbeländer zu beobachten ist. Die konkrete Ausgestaltung der ‚Integration‘ von Ausländern bzw. Einwanderern verband vielfältige Inklusionsangebote – auf den Feldern der Arbeitsmarktpolitik, der Sozialleistungen, zum Teil auch im Bildungswesen – mit Exklusionspraktiken – vorrangig im politischen, rechtlichen und kulturellen Bereich. De facto prägte dabei in allen vier Staaten die örtliche Praxis der für ‚Ausländer‘ zuständigen Verwaltungen und der betreuenden Organisationen der freien Wohlfahrtspflege in ganz entscheidendem Maße die Rahmenbedingungen für die Ausgestaltung des Zusammenlebens von Einwanderern und Einheimischen und die (Über-)lebensstrategien der Arbeitsmigranten. Der Untersuchungsraum bietet die Möglichkeit, in vergleichender Perspektive die Bedeutung unterschiedlicher politischer, sozialer und kultureller Aspekte bei der Ansiedlung von Arbeitsmigranten aus dem Mittelmeerraum zu überprüfen. Insbesondere interessieren dabei die Auswirkungen der rechtlich-politischen Grundkonzepte der vier Nationalstaaten zur ‚Integration‘ von Arbeitsmigranten, das Gewicht unterschiedlicher Klassifikationspraktiken und politischer Semantiken im Umgang mit ‚Ausländern‘ bzw. ‚Einwanderern‘ und ’naturalisierten Inländern‘. Am Fall der beiden großen Gruppen italienischer und nordafrikanischer Arbeitsmigranten lassen sich – so die Arbeitshypothese – exemplarisch zwei abweichende Grundmuster untersuchen.
Leithypothese dieses zeithistorischen Projekts ist, dass der Verlauf der Zuwanderungsprozesse in der ersten Phase der Zuwanderung ganz wesentlich von regionalen und lokalen Faktoren mitbestimmt worden ist und die dabei entstandenen Strukturen von Inklusion und Exklusion wesentliche soziale Strukturbedingungen und kulturelle Vorprägungen geschaffen haben, die auch für die gegenwärtigen Prozesse und Konflikte neuer Migrationen in der Untersuchungsregion von Bedeutung sind.
Team
Projektleiter
Prof. Dr. Lutz Raphael
Mitarbeiterin
Dr. Jenny Pleinen
Studentische Hilfskräfte
Niklas Alt
Assoziierte Personen:
Dr. Thomas Grotum
Ehemalige Mitarbeiterinnen:
Dr. Sarah Vanessa Losego
Dr. Clelia Caruso