Teilprojekt B 6: Armenfürsorge in Zentral- und Oberitalien – Konstanten und Wandlungen von der christlichen Spätantike bis ins Hochmittelalter

Das Teilprojekt nimmt Landschaften in den Blick, denen für den lateinischen Westen eine Brückenfunktion bei der Übernahme byzantinischer Formen der Armenhilfe, aber auch hinsichtlich der Fürsorgepolitik im kommunalen Kontext zukommt. Als Arbeitsschwerpunkte werden der Konnex von Armenfürsorge und Adelsherrschaft analysiert, die differenzierte Wahrnehmung von Armen als verschämte Bedürftige bzw. ‚starke Bettler’ sowie daraus resultierende Inklusions- und Exklusionsmodi herausgearbeitet und eine Teiluntersuchung zu den ‚scholae peregrinorum’ in Rom durchgeführt.

Projektleitung:
Prof. Dr. Lukas Clemens

Projektlaufzeit: 2005-2011
Fachgebiet: Mittelalterliche Geschichte

Projektbeschreibung

Die in der Spätantike entwickelten Einstellungen zu Armut und Armenfürsorge bilden wichtige Grundlagen einer verchristlichten Gesellschaft und stellen Weichen für ganz neue Formen der In- und Exklusion. Neben kirchlichen, von Bischöfen, Klöstern und Weltgeistlichen organisierten Formen der Armenpflege engagierte sich ein von Aristokratie und städtischen Oberschichten getragener, nun auch zunehmend christlich geprägter Euergetismus in der materiellen Unterstützung Bedürftiger. Damit sind bereits wesentliche Konstanten von Armenfürsorge angesprochen, die für die nachfolgenden Jahrhunderte gültig blieben, in ihren Ausformungen aber auch immer wieder Änderungen und Neuansätzen unterworfen waren. Einer allgemein akzeptierten Inklusion des Armen in die christliche Gesellschaftsordnung standen bereits während des Frühmittelalters deutlich zutage tretende exkludierende Zielsetzungen der einzelnen Fürsorgeeinrichtungen entgegen, wenn etwa Aufnahmebeschränkungen festgelegt wurden, fremde Arme gegenüber örtlichen Bedürftigen eine Ausgrenzung erfuhren, aggressives Einfordern von Almosen und das Vortäuschen falscher Bedürftigkeit harsche Kritik hervorriefen oder im Fall aufzunehmender Pilger nach ihrer Herkunft unterschieden wurde.

Die mediterranen Städtelandschaften Zentral- und Oberitaliens erscheinen nicht zuletzt aufgrund einer die Antike überdauernden ausgeprägten Schriftkultur als besonders geeigneter Untersuchungsraum, die vielfältigen Ausformungen christlicher Armenhilfe und ihre Entwicklung vor dem Hintergrund sich wandelnder politischer Rahmenbedingungen und religiöser wie kultureller Vielfalt über den Zusammenbruch des römischen Westreiches hinaus bis in die Zeit kommunaler Selbstverwaltung in den Blick zu nehmen. Dabei ist der herausragenden Rolle der italienischen Bischofsstädte für die kirchliche Armenpflege in besonderem Maße Rechnung zu tragen, denen ? anders als etwa im nordalpinen Raum ? nur eine geringe Zahl von Klöstern und Stiften auf dem Lande mit entsprechenden Fürsorgeeinrichtungen gegenübersteht.

Mit dem Ziel, die Träger der Caritas und ihre Einstellungen gegenüber unterschiedlichen Gruppen von Bedürftigen sowie daraus resultierende Handlungsweisen in einer Langzeitanalyse zu erforschen, setzt das Teilprojekt seine Schwerpunkte in der ersten Förderphase, indem es den Inklusions- und Exklusionsmechanismen von Armenfürsorge in Mirakelerzählungen sowie Repräsentationsformen von Caritas seit der Spätantike nachgeht und die Strukturen familiärer Armenfürsorge auf der Grundlage testamentarischer Verfügungen rekonstruiert.

Team

Projektleiter:
Prof. Dr. Lukas Clemens

Wissenschaftliche Mitarbeiter/innen:
Katrin Dort, M.A. 
Felix Schumacher 

Studentische Hilfskräfte:
Sarah Junges
Julia Glatz

Ehemalige Mitarbeiter:
Wissenschaftliche Hilfskraft Christian Reuther, M.A. 
Wissenschaftliche Mitarbeiterin Romy Kunert, M.A. 

Publikationen

Die Projektveröffentlichungen werden in der zentralen Online-Bibliographie im Rahmen der SFB-Publikationsplattform sfb600-online nachgewiesen.
Kategorie Allgemein