Teilprojekt C 5: Fremde im eigenen Land. Zur Semantisierung der ‚Zigeuner‘ vom 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart

Das Teilprojekt untersucht mit den ‚Zigeunern‘ eine Gruppe, deren Repräsentation die Semantiken des Fremden und des Armen geradezu idealtypisch zu vereinen scheint. Im Blick auf den Wandel von Inklusions- und Exklusionsformen werden kollektive Muster der Repräsentation dieser sozialen Fremden hinsichtlich ihrer Form, Funktion und Variation sowie ihrer Herausbildung, Fortschreibung und ‚Kommentierung‘ (insbesondere durch die Literatur) untersucht. 

Projektleiter:
Prof. Dr. Herbert Uerlings 

Projektlaufzeit: 2005-2012
Fachgebiet: Germanistik

Projektbeschreibung

Im Teilprojekt sollen kollektive Muster der Repräsentation von sozialen Fremden hinsichtlich ihrer Form, Funktion und Variation sowie ihrer Herausbildung, Fortschreibung und ‚Kommentierung‘ durch die Literatur untersucht werden. Das Untersuchungskorpus bilden belletristische Darstellungen von ‚Zigeunern‘ sowie entsprechende expositorische Texte (wissenschaftliche Abhandlungen, Polizeiverordnungen, Lexika etc.).

Mit den ‚Zigeunern‘ – der Begriff bezeichnet hier als ‚Zigeuner‘ stigmatisierte Personen sowie entsprechend markierte Figuren in fiktionalen Texten – wird eine soziale Gruppe ausgewählt, deren Repräsentation die Semantik des Fremden und des Armen im kollektiven Bildgedächtnis geradezu idealtypisch vereint. Die wenigen vorhandenen literaturwissenschaftlichen Arbeiten zu diesem Thema beschränken sich auf die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts und orientieren sich meist am Paradigma der Motivgeschichte, nicht dem einer Erfassung von Zuschreibungen und sich verändernder Modi der Inklusion und Exklusion des Fremden. Das Teilprojekt möchte demgegenüber an einige neuere Arbeiten in den Geschichts- und Sozialwissenschaften anknüpfen, die sich, ausgehend von der nationalsozialistischen Verfolgung, mit der Konstruktion des ‚Zigeuners‘ befasst haben, und möchte diese Ansätze für die literaturwissenschaftliche Forschung nutzen sowie vice versa einen eigenständigen Beitrag zur Erhellung der Geschichte der Semantisierung dieser Gruppe leisten.
Die Leitfragen sind, wie in Wissenschaft (sowie Recht und Politik) und Literatur (und Kunst) ‚Zigeuner‘ als Fremde und Arme erscheinen, wie sich beide Semantiken zu einander verhalten und was dem über die Beziehungen zwischen Minderheit und Mehrheitsgesellschaft zu entnehmen ist. Den Untersuchungszeitraum bildet in der Förderphase 2005-2008 die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts (bis ca. 1920) selbstverständlich im Wissen um die bis in die Frühe Neuzeit zurückreichende Geschichte der Stigmatisierung und um die Schlüsselrolle einiger um 1800 verfasster belletristischer und expositorischer Texte.
Zu untersuchen ist, warum und inwiefern die Minderheitskultur der ‚Zigeuner‘ zu einer Zeit ein ‚großes‘ Thema wurde, in der die Frage nach der ‚Nation‘ in Deutschland auf der Tagesordnung stand. Wie verhält sich die Repräsentation der ‚Zigeuner‘ zum erfolgreichsten ‚Begleitbegriff‘ der Inklusionssemantik (Stichweh)? Welche Rolle spielt die Konstruktion der Zigeuner als ‚Gegengesellschaft‘? In welchem Verhältnis steht die Repräsentation der ‚Zigeuner‘ zu der anderer sozialer Fremder und Armer im eigenen Land? Wie verhalten sich literarische Repräsentation von ‚Zigeunern‘ zu den außerliterarischen Strategien der Inklusion und Exklusion?

Team

Projektleiter:
Prof. Dr. Herbert Uerlings 

Wissenschaftliche Mitarbeiterinnen:
PD Dr. Iulia-Karin Patrut
Katarina Lenczowski M.A. 

Studentische Hilfskräfte:
Sarah Lenz
Hannah Speicher 
Alexander Hallet 

Weitere beteiligte Wissenschaftlerinnen:
Dr. Stefani Kugler
Dr. Anja Lobenstein-Reichmann
Anna-Lena Sälzer M.A.

Publikationen

Die Projektveröffentlichungen werden in der zentralen Online-Bibliographie im Rahmen der SFB-Publikationsplattform sfb600-online nachgewiesen.
Kategorie Allgemein