Teilprojekt C 9: Reiche ‚Lumpensammler’, vertraute Fremde: Repräsentationen von Juden in der deutschsprachigen Literatur des 19. Jahrhunderts

Das Teilprojekt geht Repräsentationen von Juden in literarischen und nicht-literarischen Texten ab 1848 nach. Untersucht werden die rhetorischen Strategien und Argumentationsmuster, die jüdische Akteure aus dem ökonomischen Diskurs der (bürgerlichen) Arbeit ausschließen und ihr Wirtschaften als fremd markieren. Für diese Exklusion spielt die Konstruktion von West- und Ostjudentum, die den gesamten mitteleuropäischen Diskursraum prägt, eine zentrale Rolle, wie ein Vergleich der deutschen mit der galizischen Literatur verdeutlichen soll. 

Projektleitung:
Prof. Dr. Franziska Schößler

Projektlaufzeit: 2009-2012
Fachgebiet: Germanistik

Projektbeschreibung

Im Teilprojekt werden Repräsentationsformen von Juden in literarischen und nicht-literarischen Texten des 19. Jahrhunderts untersucht. Auffällig ist, dass Juden nach 1848, also mit dem Versuch ihrer Assimilation und der partiellen Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Lage, in literarischen Texten bevorzugt über ihre wirtschaftliche Praxis aus dem identitätsbildenden Feld bürgerlicher Arbeit ausgeschlossen werden. Vielfach erscheinen sie in einer Semantik der Nicht-Identität und Paradoxie – als arme Reiche oder fremde Bekannte. Im Zentrum des Teilprojekts steht also der ökonomische Diskurs als Leitparadigma des 19. Jahrhunderts, der die Exklusionsformen jüdischen Wirtschaftens und Besitzens regelt und den jüdischen Akteuren insbesondere moderne monopolkapitalistische Betriebsformen wie Börse, Spekulation, Kredit und Kaufhaus zuordnet. Konzentriert sich die Forschung gemeinhin entweder auf die deutsche oder die deutsch-jüdische Literatur, so möchte das Teilprojekt Texte beider Autorengruppen in den Blick nehmen, unterstellt also ein gemeinsames kulturelles Resonanzfeld und rekonstruiert die komplexen Verhandlungen zwischen den Literaturen bzw. den gesellschaftlichen Zuschreibungen.

Das Teilprojekt untersucht zum einen Zeitromane seit 1848, um zu verdeutlichen, durch welche Repräsentationsverfahren der ökonomische Diskurs jüdische Fremdheit produziert. Zum anderen wird anhand der Literatur aus Galizien – einem multiethnischen Raum, den nicht nur westjüdische Intellektuelle zum ländlich-rückständigen „Universalghetto“ stilisieren – das Zusammenspiel von Fremdheits- und Armutsrepräsentationen analysiert. Das Teilprojekt hat also zwei Schwerpunkte, die die im ausgehenden 19. Jahrhundert virulente Debatte über Ost- und Westjudentum in den Blick treten lassen: Erstens Jüdische Ökonomie als Fremdheit: Zeitromane nach 1848 und zweitens Jüdische Armut und Fremdheit: Die Literatur Galiziens nach 1848.

Team

Projektleiterin
Prof. Dr. Franziska Schößler 

Projektmitarbeiter
Paula Giersch 
Nike Thurn 

assozierte Doktoranden
Christine Bähr, M.A. 

Studentische Hilfskräfte
Andreas Grewenig
Ariane Totzke 

Publikationen

Die Projektveröffentlichungen werden in der zentralen Online-Bibliographie im Rahmen der SFB-Publikationsplattform sfb600-online nachgewiesen.
Kategorie Allgemein